Passiv gekühlter Aufnahmerechner

In der Vergangenheit haben wir ab und zu, beispielsweise im Rahmen der Nerdpol SLAC (Spielleiter Austausch Challenge), mal Leute direkt angesprochen und gefragt, ob sie Lust hätten mal bei uns mitzumachen, und völlig zu Unrecht bekamen wir manchmal die Rückmeldung dass sich Leute das nicht zutrauen würden, weil sie uns auf einem zu hohen, professionellen Niveau sehen.

Im Ernst mal – wir lieben das Kompliment, dass da ja auch mit drin steckt, aber nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Wir sind einfach ein Haufen von Freunden und Bekannten, mit den Mikrofonen, die wir so zuhause rumliegen haben, und jeder andere Eindruck ist wirklich nur der Nachbearbeitung und dem Schnitt zu verdanken.

Die Handlung klingt dichter, weil 20-30% der Aufnahmedauer im Schnitt rausfliegen. Die meisten Sounds, die ihr hört, hat es während der Aufnahme noch gar nicht gegeben. Wir versprechen uns nicht oder stammeln rum, weil die Passagen von Hand rausgeschnitten wurde, und wenn ihr NPCs sprechen hört, dann sind die in der Regel nachträglich eingesprochen worden.

Allerdings gibt es einen Aspekt, den man nicht gut überspielen kann – und das ist die Aufnahmesituation am Mikrofon. Ich spreche dabei aber gar nicht von einem besonders guten Mikrofon, auch wenn das natürlich hilft (und nicht teuer sein muss), aber der Punkt, der in der Vergangenheit am häufigsten dazu geführt hat dass wir Aufnahmen nicht verwenden konnten (häufig von der Audiospende), waren starke Nebengeräusche.

In den meisten Fällen sind das dann irgendwelche alten Rechner mit Lüftern, die ein Grundrauschen auf der Spur erzeugen, dass man in der Nachbearbeitung nur rausbekommt, wenn man akzeptiert dass auch die Stimme ein paar Frequenzen verliert. Nicht optimal. Ein Grund warum wir mittlerweile versuchen in fast jeder Spielszene irgendein Hintergrundgeräusch einzuspielen ist auch das Überspielen von Hintergrundgeräuschen bei der Aufnahme.

Auch neben mir steht ein ca. 10 Jahre alter PC, und mit den Jahren ist der insgesamt nicht leiser geworden.. so dass es mich selbst immer mehr gestört hat. Und so spiele ich seit einem Jahr mit der Idee einen lautlosen Aufnahmerechner zusammenzustellen – und hier habe ich mal gesammelt wie das so gelaufen ist.

Audioaufnahmen stellen keine hohen Anforderungen an die Hardware – alles was der Rechner leisten muss ist die Aufnahmesoftware (Reaper/Ultraschall/Studiolink), Tools zur Kommunikation (Discord) und ein paar Browserfenster, wenn man mal neben dem Spiel kurz was recherchieren muss.

Seit Jahren läuft hier im Haus ein Raspberry Pi als Mediaserver, der locker die benötigte Rechenpower liefert, also war das mein erster Anlauf. Gehäuse

Das ganze ist ein Raspberry Pi 4 mit 8 GB (Die 4er Version löst frühere USB Timing Probleme)
Das Gehäuse ist ein Raspberry Pi 4 Nano Tower Case Rev.3 von Thingiverse
Die SSD ist das kleinste und billigste, was ich hier noch rumliegen hatte.
Gekühlt wird das ganze über einen Aluminium-Shield, der auf den Raspberry aufgesetzt wird
Die SSD selbst ist über einen Adapter an den USB3 Slot des Raspberry Pis angeschlossen.

So sieht das fertige Ergebnis aus

Die gute Nachricht – das Ergebnis läuft lautlos und mit genug Rechenleistung für einen gar nicht so kleinen Bürorechner.
Die schlechte Nachricht – unsere Kombination von Reaper/Ultraschall/Studiolink läuft darauf nicht. Die Kurzfassung – die Prozessorarchitektur ARM läuft zwar mit Reaper, aber die Mods, die wir brauchen, nicht. Dabei spielt es leider auch keine Rolle ob wir es mit Linux oder Windows probieren.

Okay, also brauche ich was in der Richtung Intel x86/AMD Prozessor.. zum Glück meldete sich jemand aus dem Chaostreff, der da noch ein paar alte, passive Boxed PCs mit 14 Jahre alten Intel Atom N270 Prozessoren rumliegen hatte.. die Dinger sind im wesentlichen schwere Aluminiumblöcke, mit etwas Elektronik eingebaut.

Long Story Short – ich habe es nicht geschafft dort ein modernes Betriebssystem auf eine SSD zu installieren. Mit 2 GB RAM waren die aber auch insgesamt etwas untermotorisiert und hätten vermutlich schon bei der Benutzung eines Browsers für CPU Artefakte in der Aufnahme gesorgt. Ungefähr zu der Zeit entdeckte ich auch dass die Mods der DAW auch eine 64 Bit Version der Software benötigen – damit waren die Kisten eh aus dem Rennen.

An dieser Stelle habe ich das Konzept eines passiven Aufnahmerechners im Grunde erstmal auf Eis gelegt.. bis mich ein Freund auf dieses Video vom Linus Tech Tipps aufmerksam machte, wo demonstriert wird wie ein zeitgenössischer Rechner ohne bewegliche Lüfter gebaut wird.

Hmmh… passive CPU Lüfter, sachste?

Also ich weiss ja nicht wie es bei euch daheim aussieht, aber an alten PC Komponenten mangelt es bei mir nicht. Also hab ich nen alten Big Tower ausgegraben, ein altes DDR3 Motherboard (Intel DH67CL), und mal geguckt was es da so an Lüftern gibt und mit welchen CPUs die so klarkommen. Für 15 EUR einen Arctic Alpine 12 Passive Kühler besorgt (bis Wärmeverlustleistung 47 Watt geeignet), eine gebrauchte i5-3470T CPU (Wärmeverlustleistung 35 Watt).
Bisschen RAM, kleine SSD dazu.. und zusammengeschraubt.

Aus Sicherheitsgründen, und weil es mir an Erfahrung mit passiv gekühlten Systemen mangelt, habe ich vorsichtshalber auch zwei Gehäuselüfter geholt und ein Frontpaneel, mit denen man die Lüfter runterregeln kann. Häufig wurde im Netz bei passiven Lüftern betont dass man im Gehäuse aber noch auf einen geeigneten Luftstrom zu achten habe – also wollte ich mal lieber auf Nummer sicher gehen.

Und so sieht das Ergebnis nun aus.

Der Tower ist leider nicht vollständig lautlos geworden.
Zum einen habe ich auf ein fanless Netzteil verzichtet – in erster Linie weil die Modelle unangenehm teuer waren – und zum anderen stellt sich heraus dass die Gehäuselüfter vorne zwar runtergeregelt werden können, aber nicht bis zum vollständigen Stillstand. Sie drehen sich also, aber bis zur praktischen Unhörbarkeit langsam.

Das Ergebnis ist beeindruckend – obwohl die Komponenten allesamt so 10-12 Jahre alt sind, läuft auf dem Rechner alles flüssig, was ich dort laufen haben möchte – bei einer Innenraumtemperatur von 27° lag die Wärmeentwicklung im Tower bei ca. 30-40° im Betrieb. Wenn ich die CPU eine halbe Stunde lang stressteste, habe ich einmal kurz die 67° erreicht, was eine vollkommen vertretbare Kühlleistung ist.

Alles in allem habe ich vielleicht 140 EUR in die Komponenten investiert – und lediglich Tower und Netzteil lagen noch herum.

Also für den Fall dass ihr auch mit den Nebengeräuschen eurer Aufnahme unzufrieden seid – vielleicht hat euch meine Zusammenfassung ja auf die Idee gebracht dass da einiges mit passiver Kühlung machbar ist.

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